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Kurz bevor die Nuke gehen konnte, schloss Miyuki diese noch in ihre Arme. Sie versteifte bei der Berührung fast vollständig, war sie derlei zum Abschied definitiv nicht gewohnt. Und war es in den meisten Fällen von ihr auch nicht erwünscht. Ehe die Spitzöhrige die Geste erwidern konnte, hatte sich Miyuki auch schon wieder entfernt, zuvor versichert, dass sie aufpassen würde. Und dass Myra auf sich selbst auch aufpassen sollte. Sie mochte ja gerne Streitereien anzetteln, doch hatte nichts davon für sie bisher in eine lebensbedrohliche Situation geführt. Bis auf das eine Mal mit konkurrierenden Kopfgeldjägern. Oder bei der Jagd nach einem entflohenen Kampfhund. Oder die Sache mit der Schatzsuche. Jaaa... lassen wir das. Danach trennten sich auch die Wege der drei. Myra hatte beschlossen, eines der fest angelegten Geschäfte zu betreten. In solchen konnte sie sich der Qualität der Ware bewusster sein, als einem einfachen Stand. Die hatten zumindest das Geld für die Mietung eines Gebäudes. Zwar hatte der Laden noch weitere Besucher, doch war es still und sie unterhielten sich wenn flüsternd untereinander. Zwei in grauen Gewändern vermummte Gestalten hielten Aufsicht in der Räumlichkeit. Security. Das Mädchen ließ einen prüfenden Blick über das Sortiment schweifen. Die Demonstrationen für unterschiedliche Flaschenzüge hatte sie bereits von draußen gesehen, weswegen sie auch eingetreten war. Myra widmete sich diesem Teil des Geschäfts, begutachtete die ausgelegten Rollen und das Seil. Da die restliche Kundschafter scheinbar besser wusste, wonach sie suchte, gesellte sich schon bald der Verkäufer zu dem Mädchen.
Sie können die hier ausgestellten Flaschenzüge gerne testen. Meinte der Mann mit freundlichem Lächeln. Kurz beäugte Myra ihn misstrauisch. Nur selten begegneten Schwarzmarkthändler ihr mit Respekt. Sie sah zu sehr nach verlaustem Straßenkind ohne Geld aus, jederzeit bereit das zu klauen, worauf ihr Blick gerade fiel. Aber vermutlich wirkte sie ehrlich interessiert, und das war sie auch. Myra testete das Modell vor sich. Das Seil glitt sanft durch die Rollen und das Gewicht ließ sich locker anheben. Dennoch musste sie entschieden zu viel Kraft aufbringen. Der Händler bemerkte sofort die Unzufriedenheit.
Suchen Sie nach etwas Bestimmtem? Myra wägte ihre Antwort auf die Frage ab.
Ich weiß nicht... eigentlich suche ich nur nach weichen und gut laufenden Rollen. Einfach maximale Zugkraft. Myra wusste es selbst nicht richtig. Sie hatte einen Plan für ihren Bogen. In der Theorie würde es auch funktionieren. Einzig bei der Idee mit dem Flaschenzug war sie sicher unsicher. Welche Rollen würden sich für die Spannkraft eignen und konnte sie das Prinzip tatsächlich eins zu eins auf einen Bogen übertragen?
Welchem Zweck soll die Ware dienen? Myra wandte kurz den Blick ab, dann fixierten ihre Augen den Händler wieder.
Einer Waffe. Der Mann nickte und schien selbst über die Möglichkeiten nachzudenken. Dann winkte er sie mit sich.
Ich glaube wir haben da etwas interessantes. Er führte sie einige Modelle weiter und präsentierte ihr eines, welches sich auf den ersten Blick nur geringfügig von den anderen unterschied. Die Rollen waren anders geformt.
Bitte. Er bedeutete ihr, den Flaschenzug zu testen und Myra ließ sich die Chance nicht nehmen. Im ersten Moment ließ sich das Seil nicht anders ziehen, als die anderen auch, dann aber schien es sich fest zu harken. Überrascht schaute die Schwarzhaarige auf. Sie musste kaum noch Kraft investieren und das Gewicht baumelte locker vor ihr.
Bei diesem Flaschenzug wurde zusätzlich das Hebelgesetz angewandt. Geringe Kraftaufbringung, um das Gewicht anzuheben und danach die vollständige Fixierung durch einen entgegen wirkenden Hebel. Wenn der Hebel die Rolle blockiert, ist die maximale Spannung erreicht. Erklärte der Händler. Fasziniert betrachtete Myra den Mechanismus, während sie das Seil nun auch locker nur noch mit einer Hand halten brauchte.
Es hat aber einen kleinen Nachteil. Lassen Sie Das Seil bitte einfach los. Die Nuke tat, wie ihr gesagt. Rasant entlud sich die zurückgehaltene Kraft durch den Hebel und das Gewicht krachte deutlich heftiger zu Boden, als es bei einem gewöhnlichen Flaschenzug der Fall wäre. Vermutlich mit deutlich erhöhter Kraft wieder zurück geschickt. Myra zuckte bei dem Aufprall leicht zusammen und auch andere Besucher wandten ihre Köpfe zu dem poltern.
Der Hebel schnellt zurück und entlädt deutlich mehr Kraft, als beim ziehen zuvor benötigt wurde. Die Rollen eignen sich daher nicht unbedingt für den gewöhnlichen Gebrauch von Flaschenzügen. Eher zum umbringen von Menschen! Scherzte die Schwarzhaarige und der Verkäufer konnte sich ein amüsiertes zucken der Mundwinkel nicht verkneifen. Aber es war ihr völliger Ernst. Sinn ihres zukünftigen Bogens.
Wie viele haben Sie von den Rollen? Acht. Myra überlegte kurz. Sie bezweifelte, dass ihr erster Versuch beim Zusammenbau klappen würde, daher bräuchte sie Ersatzrollen.
Ich nehme sechs. Er nickte und sie gingen zum Tresen. Er holte sechs von den Exemplaren aus dem Lager und legte sie aus, nannte den Preis.
Das passt. Meinte das Mädchen nur knapp, zückte ihre Karte für den Schwarzmarkt und hielt sie dem Verkäufer hin. Er nahm das Kärtchen etwas zögerlich.
Sie wollen nicht verhandeln? Myra legte ein ziemlich unübliches Verhalten an den Tag. Kunden die nicht über den Preis verhandeln wollten? Eigenartig. Doch stützte sie sich mit den Unterarmen nur auf die Holzplatte und lächelte gleichgültig.
Sie können auch gerne noch einen Bonus für die Beratung drauf packen. Denn es juckte die Nuke nicht die Bohne. Es war nicht ihr Geld, was so sorglos von der einen Tasche, in die nächste schlüpfte. Und solange sie noch die Chance hatte, würde sie den Anzugmann auch bis auf das letzte Tröpfchen seines Erbes melken. Der Verkäufer verstand die Botschaft und grinste wissend, gab einem Mitarbeiter die Karte und wies ihn zur Abbuchung an. Myra sah sich derweil um. Ihr Blick fiel auf Gestelle aus Linsen und sie betrachtete diese genauer. Oder viel mehr: Sie betrachtete alles um sich herum
durch diese genauer. Sie konnte die einzelnen Linsen verschieben, sodass sich die Vergrößerung veränderte. Das Maxima schien aber um das achtfache. Kurz betrachtete Myra den Gegenstand nachdenklich, ehe sie es dem Verkäufer zeigte.
Könnte das auch noch dazu? Er nahm ihr die Ware ab und verschwand kurz im Hinterzimmer, dann kam er wieder.
Die Transaktion wurde vollzogen. Viel Spaß damit. Danke. Myra versiegelte die Gegenstände sogleich sicher in ihrer Schriftrolle und verließ das Geschäft.
Myras nächste Station war ein Geschäft spezialisiert auf Schuss- und Wurfwaffen. Ähnlich wie dem zuvor, war es mit einem Gebäude fest angelegt im Schwarzmarkt und schien bereits von außen einiges bieten zu können. Ihr Eintritt wurde allerdings mit nicht ganz so freundlichen Blicken empfangen. Die konnten sich wohl die Unhöflichkeit wieder leisten. Die Nuke ignorierte dies aber weites gehend, sondern schritt schnurstracks auf die sehnenlosen Ausstellungsstücke von Kompositbögen zu. Fast neben jeder Basis stand ein fertiges, mit Sehne bestücktes Produkt zum testen. Für gewöhnlich würde Myra sich das Holz selbst zusammensuchen, ebenso weitere Bestandteile. Doch die Verarbeitung von Horn oder Knochenstücken in Holz war sehr schwierig und vieles konnte dabei schief gehen. Sie wollte daher sicher spielen und eine vorgefertigte Basis kaufen. Bei dem richtigen Preis konnte sie sich auch der Qualität bewusst sein. Während die Schwarzhaarige ein interessantes Exemplar abtastete, hörte sie ein aufforderndes Räuspern neben sich. Der Händler lächelte sie missbilligend an.
Was suchst du denn? Das Mädchen seufzte entnervt und hielt dem Mann einfach ihre Karte unter die Nase. Er erkannte natürlich sofort, worum es sich handelte und sofort setzte er die heuchlerisch freundliche Miene auf.
Wir haben eine gute Auswahl für die, die auch das nötige Kleingeld haben! Sprach er nun ein wenig eifriger. Am liebsten hätte Myra nun angewidert die Zunge raus gestreckt, aber sie wollte ja etwas.
Ich brauche einen sehnenlosen Kompositbogen mit Bumms. Meinte sie und wandte sich wieder der Auswahl zu.
Bumms? Harkte der Verkäufer nach und sie schüttelte nur den Kopf.
Nein, nein. Mit BUMMS! Zur Untermalung ihrer Worte, schlug sie sich mit der Faust in die andere Hand. Er nickte wissend und führte sie zu einem schwarz lackierten Exemplar. Er nahm den Bogen, pries dessen Qualität an, als würde er einem reichen Schmarotzer den Bogen verkaufen wollen und nicht irgendeiner daher gelaufenen Halbstarken. Myra begutachtete den Kompositbogen selbst ein wenig genauer. Er war von der Yumi-Qualität und die war stets vielversprechend. Sie griff nach dem Exemplar mit Sehne. Der Bogen lag gut in der Hand, war leicht und für ihre eigene Körpergröße akzeptabel. Myra spannte die Sehne auf ihr Maximum. Die Elastizität war sehr gut und das Holz verbog sich weich bei der Spannung.
Ziehen Sie mal mit. Wies sie den Verkäufer knapp an. Er zögerte sichtlich und sie verdrehte nur die Augen.
Wenn er bricht bezahl' ich den schon. Nach dieser Aussage zog auch er mit all seiner verfügbaren Kraft an der Sehne. Bei dem Anblick des gebogenes Holzes, lief ihm eine kleine Schweißperle über die Schläfe. Myra lächelte nur zufrieden. Er bog sich glatt. Perfekt. Sie legte das Modell zurück.
Ich nehme dann den Bogen ohne die Sehne. Der Verkäufer nickte eifrig und verschwand im Lager. Die Schwarzhaarige folgte ihm aber nicht gleich, sondern schaute noch bei den Sehnen vorbei. Welche würde sich da am besten eignen? Sie tendierte zu Sehnen für Armbrüste, nur müssten diese trotz alledem ein wenig elastischer sein. Schlussendlich entschied sich die Spitzöhrige für eine Sehne, die ihr Van mal empfohlen hatte. Ziemlich teuer, aber die Qualität sprach für sich. Und teuer konnte Myra sich nun leisten. Drum zeigte sie dem Händler auch noch die Sehne.
Davon hätte ich gerne noch, sagen wir, mh... 40 Meter. Wir sind ja großzügig. Bei dieser Menge runzelte der Mann nur die Stirn, befolgte aber den Wunsch. Ihm sollte das nur recht sein. Nach der Bezahlung versiegelte Myra auch diese Gegenstände in einer Schriftrolle und verließ den Laden. Nun sollte sie alles haben, um sich an den Bau ihres Bogens zu wagen. Vielleicht war Miyuki nun auch soweit fertig mit dem Einkauf.