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Trotz der Kälte war der Körper des Tigers erstaunlich warm. Mit Wonne kuschelte Myra ihren Rücken an sein Fell und hoffte, dass sie, trotz ihrer dicken Winterkleidung, Anteil an der Körperwärme des Tigers hatte. Es verwunderte sie nicht, dass die Katze warm war. Er und sein Körper waren an die Kälte angepasst. An heißeren Orten würde er nur vergehen. Myra verschränkte die Arme vor ihrer Brust, kuschelte ihr Gesicht in ihren dicken Schal und behielt die ganze Zeit den Höhleneingang im Auge. Wartete. Miyuki kehrte hoffentlich bald zurück, aber im Schnee trockenes Geäst zu finden war alles andere als leicht. Yasuo bewegte sich ein wenig und Myra sah im ersten Moment nichts anderes, als weißes Fell mit schwarzen Streifen. Oder schwarzes Fell mit weißen Streifen? Mmh... Dann spürte sie das Gewicht von Yasuos Kopf und für einen Moment blieb ihr die Luft weg. Selbst sein Kopf musste bald mehr wiegen, als eine durchschnittliche Katze. Aber so überraschend, wie diese Geste der Zuneigung kam, so angenehm wurde das Gewicht und die Wärme, die sich nun um Myras Körper legte. Die Nuke kraulte dem Tiger ein wenig hinter dem Ohr und legte ihre Arme auf seinen Nacken ab. Die Atmung der Großkatze ging gleichmäßig und sie spürte ein wenig von seinem warmen Atem an ihrer Seite. Wahrscheinlich kam es durch die Erschöpfung der vergangene Ereignisse, doch ließ die Wachsamkeit der Schwarzhaarigen nach und es brauchte nur wenige Minuten, da fielen ihr die Augen zu.
Es war ein Nickerchen, vielleicht auch nur ein kurzes dösen. Myra wusste um die Gefahr, im Schnee einzuschlafen. Der Körper wurde zu kalt und man erfror. Aber durch Yasuos Wärme hatte sich in dem Körper der Spitzöhrigen ein Wohlempfinden ausgebreitet, dass diesen dazu veranlasste, die ruhige und warme Zeit zur Erholung zu nutzen. Folglich schreckte sie aus ihrem kleinen Nickerchen hoch, als Yasuo sich auf ihrem Schoß regte und mit seinem Kopf gegen ihre Brust stieß. Ihr Griff war sofort an einer ihrer vielen Waffen und ihre vor Schreck geweiteten Pupillen wanderten durch die Höhle. Es war deutlich dunkler geworden. Und Miyuki war immer noch nicht zurück. Wie viel Zeit war vergangen?
Was ist? Fragte sie und stand langsam auf. Ihre Gelenke schmerzten ein wenig von dem vorherigen Gewicht in ihrem Schneidersitz und sie musste kurz die Beine locker machen. Yasuo war ebenfalls aufgestanden und begab sich zum Höhlenausgang. Fragend blickte sie dem Tiger nach, dann schaute sie zu der kalten, nahezu unberührten Feuerstelle. Dann dämmerte es Myra und sie spürte ein ähnliches Empfinden, was auch die Großkatze erfasst haben musste.
Miyuki... Murmelte das Mädchen nur und zog sich ihre Fell bestückte Kapuze über den Kopf. Den dicken Schal bis über die Nase. Während Myra Yasuo zum Ausgang folgte, nahm sie ihren Bogen vom Rücken und legte einen Pfeil an. Es war tatsächlich dunkler geworden und der Schnee strahlte längst nicht mehr so hell. Dennoch hatte man das Gefühl, als würde er Licht abgeben. Außerhalb der Höhle schaute sich Myra kurz um, konnte nichts erkennen. Niemand war in der Nähe. Mit weißen Wölkchen, die aus dem Schal drangen und ihre Atmung signalisierten, ging Myra in die Hocke und betrachtete ihre Fußspuren. Da waren Yasuos, Miyukis und Myras eigene. Wenige Meter weiter trennten sich zuvor überschnittene Spuren. Das mussten Miyukis sein. In die Richtung war das Mädchen gegangen, zwischen die Nadelbäume. Myra schaute sich zu ihrem pelzigen Gefährten um.
Suchen wir nach ihr. Ich weiß zwar nicht, wie gut bei dem ganzen Schnee ihre Spur aufnehmen kannst, aber der Schnee hat uns eindeutige Hinweise hinterlassen. Die Nuke hatte ein schlechtes Gefühl. Wenn es schon dunkel wurde und Miyuki vom Holz sammeln noch nicht zurück war, dann war etwas geschehen. Und da die Weißhaarige über medicale Fähigkeiten verfügte, konnte sie ein simple Verletzung nicht an der Rückkehr hindern. Durch den Schnee stampfend folgte sie also den Spuren im regelrecht strahlenden weiß. Myra ging davon aus, dass Yasuo ihr folgen würde. Sich jetzt weiter aufzuteilen grenzte sonst an Selbstmord.
Jederzeit schussbereit wich Myra von der vorhandenen Spur nicht ab, entdeckte hier und dort andere Abdrücke im Schnee. Von Tieren. Hasen, Wölfen. Sogar von einem großen Bär, aber da war sich die Schwarzhaarige nicht ganz sicher. Aber keine Spuren von weiteren Menschen. Myra war unruhig, angespannt. Die langsam herein brechende Dunkelheit würde ihre Suche gerade in diesem kleinen Wald erschweren, aber war es nicht das, was in ihr dieses Gefühl des Unwohlseins verursachte. Es waren die fehlenden Geräusche. Viel zu selten, wenn überhaupt, erklang der Gesang eines Vogels. Nirgendwo raschelte es in den Gestrüppen und es ging kein Wind. Fast so, als nehme der Schnee sämtliche Umgebungslaute. Für die Nuke wirkte die Umgebung tot. Zumindest ließen sich manchmal kleine Wühllöcher im Schnee finden. Kleintiere, die nach Beeren auf dem gefrorenen Boden suchten. Und vielleicht auch eine Shinobi, die unter dem Schnee ihr Glück mit trockenen Ästen versuchte. Ein Baum glich dem anderen und wären Miyukis Spuren nicht, Myra hätte sich im Schnee vermutlich längst verlaufen. Die Nuke bestieg einen kleinen Hügel, ein wenig abseits von Miyukis Spuren, um einen kleinen Überblick von ihrer Umgebung zu bekommen. Doch musste sie sich sogleich hinter einem breiten Stamm tarnen, zeigte sich nämlich ein kleines Licht am Fuße des Hügels und leise waren die Stimmen von Frauen und Männern zu hören. Die Schwarzhaarige schielte hinter dem Baum hervor. Es war nur eine kleine, familiäre Gruppe, drei an der Zahl. Zwei Männer, eine Frau. Ob das die Banditen waren? Hatten sie doch die Verfolgung nach den drei aufgenommen? Myra konnte nicht verstehen was sie sagte, doch das Licht schien ihr selbst näher zu kommen. Sie wollten ebenfalls zum Hügel hinauf. Sie gab Yasuo, sollte der Tiger noch bei ihr sein, ein Zeichen sich erst noch bedeckt zu halten. Einige Momente wartete die verhüllte Shinobi noch ab, dann trat sie mit gespanntem und auf die ankommenden Personen gerichteten Bogen hinter dem Baum hervor. Sofort gingen erschrockene Laute durch die Runde und sie blieben abrupt stehen. Der Mann hielt eine Laterne, dich hinter ihm ein Junge, vielleicht in Myras Alter und eine Frau. Wie zu erwarten waren sie in dicke Kleidung gehüllt. Ängstlich klammerte sich die Frau an dem Arm des Mannes, vermutlich ihr Partner. Auf den ersten Blick waren keine Waffen zu erkennen, nur viele und schwere Taschen. Aber das muste nichts heißen. Durch den Schal ertönte Myras gedämpfte Stimme.
Wer seid ihr? Die Lampe in der Hand des Mannes zitterte leicht, als dieser antwortete.
B-Bitte! Tun Sie uns nichts! Wir sind nur einfache Leute auf Reise! Natürlich. Das waren sie alle. Myra zielte weiterhin.
Auf der Reise? In Tetsu? Niemand, der klar bei Verstand ist, reist durch Tetsu ohne ein Ziel in dieser Einöde zu haben. Seid ihr Banditen? Ihr Tonfall wurde schroffer, fordernder und die bedrohten Personen wurden verängstigter. Die Frau atmete bereits heftiger.
Banditen? Großer Gott, nein! Wir suchen nach dem Flüchtlingslager hier in den Bergen! Meine Frau ist schwanger und wir kommen aus Kirigakure, um weiteren Gefahren zu entrinnen. Bitte, wir haben nichts böses im Sinn! Wir haben auch kaum noch Geld, keine Wertsachen. Verschont uns bitte! Die Frau war... oh. Myra kniff ihre Augen ein wenig zusammen und tatsächlich sah sie nun die gar nicht so kleine Bauchwölbung der Frau. Diese Menschen waren wahrlich ungefährlich, weswegen Myra ihre Waffen sinken ließ, aber keinesfalls wegsteckte. Deutlich atmeten die drei Reisenden auf.
Sprecht ihr von dem Lager der Massenflucht aus Kiri? Sie sind hier? Myra erinnerte sich, dass die ganzen Fanatiker in den Norden wollten. Und nun waren sie ausgerechnet in Tetsu? Großartig.
Warum seid ihr nicht mit der Völkerwanderung gekommen, wenn ihr aus Kiri kommt und auch in das Lager flüchtet? Fragte sie misstrauisch.
Erst wollten wir in Kiri bleiben, aber als wir von den Bedrohungen und Unruhen hörten, die Kiri erwartete und hörten, dass die Flüchtlinge von großen Drachen beschützt werden sollten, haben wir uns entschlossen, nachzureisen. Wir wollen unserem kommenden Kind einen friedlichen Ort zum aufwachsen schenken.Fügte die Frau hinzu und die beiden lächelten sich gegenseitig an. Myra schloss die Augen, atmete kurz durch. Die Flüchtlinge waren also auch bei den Drachen. Die bekloppten Fanatiker entsprechend... wollte sie wirklich noch dahin? Nachher wurde die Nuke verbrannt. Aber es waren wichtige Informationen und wenn sie Miyuki fand, konnte sie ihr davon erzählen. Hoffentlich änderte auch das Mädchen ihre Meinung dann.
Wir... es ist mir ein wenig peinlich, Euch zu fragen, aber wisst ihr zufällig, wo sich das Lager befindet? Wir wissen, irgendwo in den Bergen, aber wir konnten noch keine Lichter, keinen Rauch erkennen. Myra schüttelte den Kopf, erinnerte sich aber daran, dass es vielleicht bereits zu dunkel war, um dies zu erkennen.
Nein. Habt ihr aber ein Mädchen gesehen? So groß wie ich, weiße Haare müssten vorne aus ihrer Kapuze hängen. Der Mann schüttelte sogleich den Kopf.
Nein, wir haben hier niemanden außer un- Ja! Ich habe sie gesehen! Unterbrach der Junge ihn. Er hatte eine tiefere Stimme als Myra dachte. Sie wurde aber hellhörig. Der Mann drehte sich leicht verärgert um.
Ich hatte dir schon gesagt, dass das nichts weiter als ein Schatten war! Nein, ich bin mir ganz sicher! Oder fast... zumindest. Ich habe auf jeden Fall eine menschliche Gestalt zwischen den Bäumen gesehen.Wo ist sie hin? Er deutete hinter sich.
Ich glaube zu dem Berg da vorne. Myra nickte, ging auf die drei zu und an ihnen vorbei.
Gute Reise noch. Murmelte sie durch ihren Schal und gerade, als sie den Lichtschein der Lampe verließ, rief man ihr nach.
Wartet bitte! Könnten wir euch nicht ein Stück begleiten? Es ist zu gefährlich für uns drei allein hier draußen und ihr seid wenigstens bewaffnet! Wir helfen auch bei der Suche nach Eurer Freundin! Myra blieb stehen und senkte den Kopf leicht. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Drei Zivilisten, die sich vermutlich beim Brot schmieren mit dem Messer schnitten und eine davon schwanger. Mit 20 Kilogramm an jedem Körperteil hätte Myra immer noch weniger Ballast für die weitere Reise, als diese drei.
Ihr wollt zu den anderen Flüchtlinge und wir haben ein anderes Ziel. Meinte sie daher nur und es war nicht mal gelogen. Miyuki und sie wollten zu den Drachen. Dass die Flüchtlinge gleich nebenan lagen war nur ein unglücklicher Zufall. Sie wollte bereits einen Schritt voran setzen, da hing ihr Truppe erneut im Genick.
Wir würden euch auch nur bis zur nächsten Raststätte begleiten und uns dort weiter nach dem Lager erkundigen! Bitte, ich bezahle euch auch mit unserem letzten Geld. Ich möchte einfach nur, dass meine Familie gesund in ihrer neuen Heimat ankommen kann. Myra stöhnte leise und rieb sich mit der behandschuhten Hand durch das Gesicht. Wenn sie wirklich kein Geld mehr besaßen, dann reichten die letzten Ersparnisse vermutlich nicht mal mehr für ein Zimmer.
Nein! Findet euch selber zurecht! Rief sie daher nur pampig und folgte stur der Wegweisung des Jungen. Dass die drei ihr in gesundem Abstand dennoch folgten, registrierte die Schwarzhaarige, ignorierte es aber. Sollten sie überfallen werden, würde sie sich nicht darum kümmern.
Bei besagtem Berg angekommen, ließenSpuren im Schnee erkennen, die darauf deuteten, dass jemand vor kurzem den Aufstieg wagte. Einen Weg herum schien es nicht zu geben, weswegen Myra nun ebenfalls kletterte, dabei die Spuren nutzte, die hoffentlich von Miyuki hinterlassen wurden. Es dauerte ein wenig und es war dunkel, aber sie erreichte den Berg und was sie sah, ließ ihren Magen kurzerhand in sich zusammen sacken. Lichter und Qualm in der Ferne. Viele Lichter. Entweder eine Siedlung, oder ein verdammtes Flüchtlingslager. Sie waren ihrem Ziel also näher, als ursprünglich gedacht. Myra schaute nach unten. Sie konnte die dunklen Baumkronen von Tannen und anderen Bäumen eines Nadelwaldes erkennen. Und sie machte eine interessante Entdeckung. Als wäre jemand abgerutscht, zeichneten sich entsprechend Schlieren im Schnee ab und führten den Berg hinab, zwischen die Bäume. War Miyuki vielleicht abgerutscht? Für gewöhnlich würde Myra so etwas nie tun, aber in diesem Fall deutete sie lieber erst die Lage, ehe sie den Berg ebenfalls hinab rutschte und später nicht mehr zurück kam. Daher zog sie den Schal von ihrem Mund und rief laut:
Miyuki? Bist du da unten? Hoffentlich verschluckte der Schnee nicht zu viel von ihrem Ruf.