Von draußen drangen verschiedene Stimmen ins Innere des Baumhauses. Sumiyaka wunderte sich, was das Inselvolk so früh am morgen derart beschäftigte. Vor dem Baumhaus angekommen herrschte ein reges treiben. Allerdings anders, als es die Sheruta erwartet hätte. Aus der Tür heraus tretend richtete sie sich auf und sah sich überrascht um.
„Was macht ihr denn hier“, fragte sie, nahe an einem Zustand, den man getrost fassungslos nennen konnte. Vor ihr stand einer der ehemaligen Einwohner Rai no Kunis. Doch er blieb nicht lang an Ort und Stelle, dafür war er zu beschäftigt. Einer der Inselbewohner hatte ihn zu sich herüber gewunken und gemeinsam hievten sie diverse Kisten und andere Gepäckstücke nach oben, die Sumiyaka das letzte mal auf ihrem Schiff während der Fahrt nach Kamikakushi gesehen hatte. Aber er war nicht der einzige. Während sie sich mit halb offen stehendem Mund sprachlos umsah, entdeckte sie immer mehr der Flüchtlinge ihres Landes. Die Inselbewohner waren dabei, ihnen eine neue Heimat zu geben.
Es war merkwürdig. Zwar hatte Sumiyaka gestern Abend mit dem Führer der Bewohner Kamikakushis gesprochen und ihn darum gebeten ihre Landsleute aufzunehmen, doch das dies derart problemlos und vor allem schnell von statten ging, war schwer zu glauben. Immerhin waren sie Fremde und nach eigener Aussage Venoms vertrauten sie Fremden nicht. Ihre Fragen und Zweifel gab sie nach einem Moment des Zögerns auch Kratos preis. Dieser nickte verstehend und erklärte Sumiyaka, dass es auch weniger daran liegen würde das sie tatsächlich ihnen vertrauten und vielmehr daran, dass sie dem Urteil Seijis so sehr vertrauten, dass sie sich dazu entschlossen hatten, ihnen zumindest eine faire Chance zu geben. Und um diese Chance fair zu gestalten, aber auch um sie besser im Auge behalten zu können, holten sie die Flüchtlinge zu sich ins Lager.
„Wie sagte einst ein weiser Mann“, schloss Kratos,
„halte deine Freunde nah, doch deine Feinde noch näher. Wozu ihr gehört, wird sich zeigen.“ Sumiyaka brummte zustimmend. Ob diese Nachricht eine gute oder eine schlechte war, würde sich noch zeigen. Aber zumindest gaben sie ihnen eine Chance. Weiter kam die Sheruta nicht mit ihren Gedanken, denn einer der Inselbewohner gesellte sich zu ihnen. Er brachte ihnen einige Gegenstände, die, nach Erklärung Kratos’, ein Freundschaftsgeschenk von ihnen an Sumiyaka waren. Dabei handelte es sich zuerst einmal um einen langen Mantel. Auf einer Seite war er auf einer Seite pechschwarz, während die andere Seite in einem dunklen Grün gehalten war. Dazu überreichten sie ihr ein Paar Armschienen, die sie im Kampf vor Verletzungen schützen sollten. Beides, wie die Sheruta fand, äußerst nützliche Geschenke. Sie war dankbar dafür und freute sich zutiefst, sodass sie beides umgehend anlegte. Kurz setzte sie dafür ihren Rucksack ab, zog den Umhang über und setzte anschließend ihr Gepäck wieder auf den Rücken. Als Kratos ihr jedoch das letzte ihrer Präsente überreichte stutzte die Sheruta. Es waren zwei Wakizashi, zusammen mit einem Gurt, um sie auf dem Rückrad zu tragen. Ihr erster Impuls war es, die Waffen zurück zu geben. Zu gefährlich schienen sie ihr, da sie kaum mit solchen Waffen umgehen konnte und damit weder sich noch andere verletzen wollte. Doch Kratos versprach ihr, dass sie lernen würde, weise damit umzugehen. Immerhin waren nicht die Waffen das Gefährliche, sondern die Menschen die sie führten. Sumiyaka nickte und band sich den Gurt um die Hüften. Noch immer hatte sie ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache, doch wollte sie den Bewohnern Kamikakushis nicht vor den Kopf stoßen, indem sie ihr Geschenk ablehnte.
Venom zeigte sich an diesem Tag nicht noch einmal. Der Abend zuvor schien eine Ausnahme gewesen zu sein, denn auch den anderen Flüchtlingen Rai no Kunis zeigte er sich, wenn überhaupt, nur äußerst selten. Warum sollten sie erst viel später in Erfahrung bringen.