Noch in der Residenz:
Als die schwere Holztüre mit einem leichten Druck in das grobe Schloss des Türrahmens fiel, glitten die blauen Augen des Uchiha langsam über die Einrichtung des Raums. Das Bett, welches er heute morgen in Eile verlassen hatte, war bereits wieder in einem gastfreundlichen Zustand. Langsam tabsten seine schweren Füße in die Mitte des Raumes, während sein Blick noch immer auf das Bett gerichtet waren. Als er an diesem angekommen war, fuhren zwei seiner Finger langsam den Bettkasten entlang und endeten in einer abstützenden Position, wo Kaito ein- zweimal tief Luft holte. Es beruhigte ihn und eröffnete ihm die Möglichkeit, das vorhin geschehene zu verarbeiten. All das, was gesagt wurde, all das, was geschah endete bei Amaya. War es wirklich Schicksal, dass sich ihre Wege vor Jahren gekreuzt hatten? War es Zufall, dass das junge, Schwarzhaarige Mädchen von damals noch immer den größten Teil von Kaito´s Herz besaß? Sie ließ ihn springen, sie ließ ihn fallen – und trotzdem hatte er sie niemals aufgegeben. Jede Erwähnung ihres Namen nahm der Uchiha wie Gift auf. Denn am Ende gab es nichts mehr, wofür es sich lohnen würde, zu sterben. Dieses einzig wahre Gefühl, welches Kaito all die Jahre für sie empfunden hatte, begleitete ihn in jedem seines Lebensabschnitt – und formte ihn letzten endes. Trotz seiner Ausbildung zu einem Attentäter und dem unermesslichen Drang der ANBU – am Ende blieb dieses noch immer versteckt in seinem inneren. Sie war die erste und bis zu diesem Zeitpunkt auch die einzige, die er wirklich geliebt hatte. Und jetzt war er im Begriff, die Frau seines Herzens zu töten, um sie zu erlösen – und auch ihn. Aber im Gegensatz zu ihm war sie nicht in der Lage, ihre Gier nach Macht und Kraft für diese „eine“ Person aufzugeben. Und ihr selbst gewählter Weg zu diesem Ziel war unverzeihlich – selbst für den Idioten Kaito. Denn dieser war sich sicher, dass er ein letztes mal bei ihr sein wird, an einem Wendepunkt, an dem es kein zurück gab. Er wollte ihr in die Augen sehen, in die Augen, die ihn schon damals den Verstand gekostet haben und ihr ein für alle mal auf Wiedersehen sagen.
Inzwischen war der Uchiha an dem kleinen Waschbecken des Zimmers angekommen, an dessen Wand ein protzig verzierter Spiegel hing. Die Oberfläche des Beckens wurde aus kaltweißem Marmor gehauen an dessen unterseite sich zwei Holztüren verbagen. Äußerlich gab diese Einrichtung einiges her, doch die Augen des Uchihas waren auf sein Spiegelbild gerichtet, dass seine Bewegungen ungebremst nachahmte. Vorsichtig strich sich der schwarzhaarige eine Strähne aus dem Gesicht und fuhr mit seinem Gesicht näher an den Spiegel heran. Der Anblick von sich selbst war ihm irgendwie – fremd. Etwas hatte sich an ihm verändert. Etwas, was man auf den ersten Blick vielleicht nicht erkennen konnte. Während Kaito also gebeugt vor dem Spiegel stand, streifte er mit einer Hand den Kragen seines Shirts zur Seite, um einen Einblick auf das Mal zu bekommen. Zugegeben, er sah etwas unbeholfen aus, doch seine Neugierde für das Juin war gerade jetzt stärker als je zuvor. Als seine Augen die schwarzen Zeichen von diesem erkannten, fuhr er mit der Hand vorsichtig die Konturen entlang. Rein vom Empfinden war es wie eine Brandnarbe. Doch Äußerlich war es an seinem Nacken unübersehbar. Und wozu es in der Lage war, konnte sich der Uchiha noch immer nicht ausmalen. Denn die Antworten, die er so lange gesucht hatte, mussten in seiner Priorität Amaya weichen. Kaum zu glauben, dass das Juin ihm bereits das Leben gerettet hatte, als die vorher genannte Kaito erstechen wollte. Dabei musste der Ausbruch mit seinen Gefühlen zusammenhängen, da ihn auch im Saal die Wut überkam und sich das Fluchmal aktivierte. Und er wusste selbst, dass er sich dabei nur sehr schwer kontrollieren konnte. Seine Gefühle lenken ihn in dieser Stufe, und es war schwer, seine Instinkte zu unterdrücken. Die blauen Augen des Uchihas waren noch einige Augenblicke auf das vermeintliche Geschenk gerichtet, bis er seinen Nacken wieder verdeckte. Noch immer hatte er ein mulmiges Gefühl bei der Kraft, an die er sich bedient hatte. Aber er hatte keine Wahl gehabt, Amaya hatte ihm ihr wirkliches „ich“ gezeigt. Das Monster, welches er niemals in ihr sehen wollte. Kaito rügte sich selbst für dieses naive Verhalten, indem er sich auf die Zähne biss und den Wasserhahn in der Mitte des Waschbeckens aufdrehte. Kurz hielt er seine Hände unter den fließenden Strahl, um mit diesen dann eine Wanne zu formen und zu seinem Gesicht zu fahren. Das kalte Wasser belebte sein erschöpftes Gesicht, an dem nun einige Tropfen in hinunterliefen. Er genoss diesen kurzen Moment der Ruhe, als er sich mit den nassen Händen am Rand des Beckens abstützt und seinem Körper ein wenig Entspannung gönnte. Kaito verhaarte noch einige Sekunden in dieser Position, bis er, begleitet von einem tiefen Atemzug, seine Augen wieder öffnete. Kurz darauf griff er zu einer der Handrücher, die neben dem Spiegel hingen. Mit einer schnellen Bewegung trocknete er sich das Gesicht und legte das Handtuch gefaltet auf das Waschbecken. Dann drehte er sich von dem Spiegel weg und sah zu dem Stuhl rüber, den er schon beim eintreten gesehen hatte. Auf diesem befanden sich seine restlichen Sachen – zumindest die, die noch zu gebrauchen waren. Dabei hatte sich seine stille Hoffnung bestätigt, dass seine Schriftrolle und die darin befindlichen Gegenstände unbeschädigt waren. Er trennte sich von seinem geliehenen Oberteil und legte es über den Lehne des Stuhls. Und auch seine Hose war in Mitleidenschaft gezogen worden, was er aber sogleich ausbesserte. Es dauerte nicht lange, bis Kaito wieder in frischer Kleidung in dem leeren Raum stand. Tatsächlich sah er wie ein gewöhnlicher Bürger dieses Landes aus – vielleicht etwas zu wenig gekleidet. Ein letztes mal Blicke der Uchiha in den Spiegel, um sein Auftreten zu überprüfen. Daraufhin breitete er seine Schriftrolle auf dem Boden aus und formte drei schnelle Fingerzeichen. Als sich der flüchtige Rauch legte, stand Kaito in seiner ANBU-Rüstung dar. Doch anders als sonst ohne seine Maske. Es war von Vorteil, dass niemand seine Identität als Attentäter kannte – vorallem unter all den Nuke. Den langen Mantel, der zusätzlich entsiegelt wurde, legte sich Kaito um die Schultern und stülpte sich die Kaputze über. Jede seiner Bewegung fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Denn je schneller er war, desto schneller würde er ihr wieder gegenüber stehen. Und je weiter er kam, desto dichter wurden seine Gedanken an Amaya. Gerade als sich Kaito sein Katana um den Rücken schnallte, stoppte er sein Vorhaben und lies seine Arme kraftlos zu Boden fallen. In der Beobachtung des Spiegels konnte er seine Selbstzweifel erkennen – ein Merkmal, was ihn die ANBU eigentlich ausgetrieben hatten. Ein Gedanke, der absolut verschwendet war... und dennoch präsent. Seine blauen Augen schielten zu dem Katana, welches noch immer in seiner Hand ruhte. War es die richtige Entscheidung, die Frau, die seine Zukunft geformt hatte, zu jagen und zu töten? Hatte Amaya überhaupt eine Wahl gehabt – hatte er eine Wahl gehabt? Er hatte so viele Fragen an sie, so viele Fragen, die er wohl niemals beantwortet bekam. Oder hatte er schon alle Antworten von bekommen? Hatte sie ihre Geschichte wirklich mit Blut geschrieben? Kaito hatte mittlerweile seinen Kopf gesenkt und schaute aus dem Augenwinkel auf die Gestalt, die er so lange bekämpft hatte. Unsicher setzte der junge Mann einen Fuß vor den anderen – den Blick immer auf sein Spiegelbild. Doch mit jedem Schritt, mit dem er näher kam, umso mehr verschwamm das Bild zu jener Person, die ein entscheidener Teil seiner Erinnerung war. Sie war neben Osamu die wichtigste Person in seinem Leben, mit denen er Zeit verbringen konnte. Und solang er sich erinnern konnte, war nur sie in seinem Herzen gewesen. Unsicher legte Kaito seine Hand an den gennanten Platz und sah aufrichtig in seine Gegenüber. Als sich ihre Blicke kreuzten, verschwamm Realität und Illusion und dort war wieder dieses Gefühl, dieses Gefühl von Hoffnung und Geborgenheit. Wie von selbst fuhr die Hand von seinem Herz zu dem Spiegel, der Amaya zeigte. Kurz bevor diese sie erreicht hatte, stoppte Kaito und unterbrach den Blickkontakt. Er hatte es unter Kontrolle, er hatte bis jetzt alles unter Kontrolle – oder nicht? Es war ihr Weg, ihre Entscheidung, er hatte alles gegeben!... oder nicht? Als sich seine Augen kurz darauf wieder zu ihr wendeten, wollte er ihnen nicht trauen. Die Frau, die er zuvor mit einem lächeln betrachten konnte, stand blutüberströmt und lachend in einem Berg aus Leichen. Ihre Augen glühten wie Feuer und ihr gelächter spottete über die Toten. Sie hatte es ihm gezeigt, wie sie wirklich war. Sie hatte ihm mitgeteilt, was für sie zählte. Und dafür gab es keinen Platz für Gefühle. Als sich ihr lachen legte, fixierte sich sich auf Kaito und grinste ihn dunkel an. Dort war er wieder, dieser Blick aus Verachtung und Gier. Ihr Lippen formten sich zu Wörtern, die er zwar nicht verstehen konnte, aber lesen. Als er die Intention erkannte, weiteten sich die Augen des verwirrten Uchihas. Ihre Worte schlugen wie Projektile auf ihn ein. Sie hatte recht, er war bemitleidenswert und lebte in einer Lüge, wenn er wirklich daran glaubte, dass sie das selbe für ihn riskieren würde, wie er es sein Leben lang für sie getan hatte - Als hätte er jemals eine Wahl gehabt. Gerade als Amaya ihr Werk aus leblosen Körpern präsentierte und auf Kaito zuging, spannte dieser seine Faust unkontrolliert an. Ja, vielleicht sprachen ihre Worte die Wahrheit. Und eventuell lebte er diese Lüge schon zu lange. Doch eine Sache vergaß sie. Menschen standen immer vor der Wahl, dass richtige zu tun. Und Amaya hatte die falsche Entscheidung getroffen. Kurz atmete der Uchiha kopfschüttelnd aus, als er sich auch von dieser Erinnerung trennte. Ohne noch länger zu überlegen, schlug er mit voller Kraft gegen den Spiegel, der in Sekundenbruchteile in unzählige Splitter zersprang. Der Fingerschutz der Armschiene schütze die empfinde Haut bei dem Aufschlag.
“Du wirst dich nicht an mich erinnern!“ zwischte Kaito begleitend dazu. Ohne sich ein weiteres mal umzudrehen, schnürrte sich der Uchiha sein Katana im lauf um den Rücken und ließ seine Erinnerung hinter sich. Denn er war sich das erste mal in seinem Leben sicher, was er Amaya schuldig war – Erlösung.
Tor der Residenz:
Als der eingehüllte Uchiha zu dem Tor schritt, warteten bereits die erwarteten Personen vor Ort. Auch wenn Kaito etwas überrascht über die Anwesenheit von Fuuma war, so machte er keine anstalten, ihn von seiner Entscheidung abzubringen. Einen Moment lang kreuzten sich die Blicke von Kaito und Ryuuzaki, an dessen Seite sich Nyoko gesellt hatte. Offensichtlich hatten die beiden ihre „Familienangelegenheit“ geklärt, was auch an dem Gesichtsausdruck der Blauhaarigen auszumachen war. Sie hatte wieder diesen kalte Fassade des Selbstschutzes aufgelegt, welche zuvor zu bröckeln begannen hatte.
“Ich schließe mich dir an. Es ist unwahrscheinlich, dass sie bei Nacht reist. Und noch haben wir diesen Vorteil“ Kurz nickte Kaito den beiden Yagamis zu, womit auch er seine Marschbereitschaft signalisierte. Die Tatsache, dass der ehemalige Hokage Amaya schon ausfindig gemacht hatte, zeugten von seinen Fähigkeiten. Wahrscheinlich waren ihre Verletzungen aber auch einfach zu schwer, um schnell an Fuß zu gewinnen. Das andere Clanmitlied wurde von ihm derweil vollkommen außer Acht gelassen. Falls es stimmte, was er gesagt hatte, musste er sich von seiner Schwester trennen – oder für sie sterben. Kaito empfand es für richtig, eine Provokation zu unterlassen. Er musste seinen eigenen Kampf kämpfen – mit den eigenen Entscheidungen. Daraufhin wartet der ANBU ungeduldig auf die Reaktionen der Anwesenden. Egal welche Wahl die anderen treffen würde, Kaito würde sich Ryuuzaki anschließen, um Amaya die gerechte Strafte zuzuführen. Ob sich die Gruppe erneut in kleinere Abteilungen trennen würde, war nicht auszumachen. Genauso, wie er der Uchiha nicht ahnen konnte, welche Seite Nyoko, Seijitsu und Shinji wählen würde.
Eine paar Sekunden blickte der Uchiha noch auf das pelzige Tier, welches sich vor den Yagami gestellt hatte um ihm eine Nachricht von dem tauben Typen zu überbringen. Immerhin, der sonst so schüchterne Mann hatte seine Wahl schon getroffen.
TBC: Ryu hinterher.