Nach allem was gesprochen wurde sollte doch alles anders kommen. Die Samurai waren gespalten und so stellte sich eine Gruppe unter einem anderen Anführer, der den Namen Sakushi trug, gegen sie und den Landsherren, welcher um Beistand bat. Mitosu stand zu ihrem Wort und so setzte sie ihren ersten Angriff, der jedoch nur dazu beitragen sollte, die Angreifer vorerst zu verlangsamen, bis sie selbst sich soweit vorbereitet hatten. Doch plötzlich spürte Mitosu, wie eine gewaltige Chakramenge frei gesetzt wurde. Ihre roten Augen wanderten zu dem Landesführer, doch zu spät. Gerade als sie den Kopf herum gewandt hatte sah sie noch, wie kaltes Metall einer scharfen Klinge durch den Brustkorb der Watanabe ragte. Kein Muskel zuckte im Gesicht der Göttin. Weder Mitleid, noch Trauer, noch eine Art "Schock" durch die plötzliche Tat war zu sehen. Allerdings auch keine Freude. Neutral blickte die Mutter der Nacht zu diesem Bild, während bereits das Blut aus Aikos Körper tropfte. Der Landsherr führte schnell einen weiteren Schlag in Richtung Aiko aus, der eine klaffende Wunde an ihrem Hals hinterließ. Die Klinge entfernte sich aus der Rothaarigen und ihr Körper fiel leblos zu Boden. Es geschah so schnell, dass die Frau wohl nicht lange leiden musste. Doch auch so schnell, dass keiner der Anwesenden, selbst Tashiro nicht, etwas hätte tun können. Der Landherr sprach Sakushi an, dass es weiter gehen sollte, wie geplant.
Verrat? schoss es der Göttin durch den Kopf, doch mit einer überraschenden Ruhe blickte sie zu dem Mann, der sich ihnen zuvor noch anschließen wollte. Sie spürte keinen Verrat von ihm ausgehen und sein Antlitz war nicht das eines Verräters. Auch waren die andern Männer, die Angreifer, zu überrascht, als das es wirklich hätte geplant sein können. Was folgte war ein gegenseitiges Abmetzeln, wie es wohl die Göttliche selbst nicht hätte schöner befehligen können. Als beide Anführer fielen und in ihrem eigenen Blut badeten stahl sich ein Schmunzeln auf die Lippen Mitosus.
Um sie herrum herrschte Chaos. Leblose Körper und Blut. Die übrigen Samurai hielten inne, blickten zu der Gruppe, die als Gäste empfangen wurden und legten schließlich ihre Waffen nieder, als ihre Anführer den letzten Hauch ihres Lebens ausstießen. Ein deutliches Zeichen für Mitosu. Tashiro und Seijitsu waren die ganze Zeit tatenlos geblieben, doch schien Seijitsu, der jüngere der beiden Fuumas, allmählich zu realisieren, was geschehen war. Er hielt sich den Kopf, während Tashiro ihm für einen Moment die Hand auf die Schulter legte. Doch beruhigte dies den Jungen nicht wirklich. Tränen rannen sein Gesicht hinab und plötzlich löste sich ein lauter Schrei aus seiner Kehle. Er schien in sich zusammen zu sacken und kleiner zu werden, während der Kater die Sprache übernahm und den Samurai riet, was sie zu tun hätten. Tashiro fragte unterdessen nach weiteren Befehlen. Mitosus Blick ruhte für einen Moment auf Seijitsu, dann wanderte er zu der leblosen Hülle Aikos. Auf ihren Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab.
Nehmt ihren Körper mit. Er darf nicht hier zurück bleiben. Letzten Endes ist sie doch für uns gestorben und hat ihr Leben letztlich doch für meinen Weg gelassen. Auf Grund dessen wird sie hier auch nicht zurück bleiben. sprach Mitosu ruhig. Dann wandte sie sich in Richtung der Samurai.
Eure Anführer sind tot und durch den Tod jener habt ihr die Chance, die alten Werte wieder aufzunehmen. Ihr wisst, dass die Tat eures Landesführers ein Verstoß gegen den Kodex der Samurai ist und so habt auch ihr eure Ehre verloren. Doch an meiner Seite, werdet ihr diese wieder erlangen können. Folgt meinem Ruf und werdet den alten Werten eures Weges wieder treu. Ich werde euch in eine neue Zukunft geleiten, wenn ihr mich als eure neue Herrin anerkennt und euch in meine Dienste stellt. sprach Mitosu. Während ihrer Worte breitete sie die Arme aus, als wäre sie eine Mutter, die ihre Kinder willkommen hieß. Die Samurai zögerten nicht länger. Ihre Waffen lagen bereits bereitwillig auf dem Boden und so kamen sie nach und nach ein Stück näher auf die Mutter der Nacht zu, ehe einer von ihnen schließlich die Treue schwor und die anderen folgten. Auf Mitosus Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab und sie ließ die Arme wieder sinken.
Geht mit den Templern zum Dōhō·Ai, dem Tempel der Brüderlichkeit. Wir werden dort bereits auf euch warten. sprach Mitosu. Zwei Samurai würden vortreten und Seijitsu und Tashiro ihre Waffen wieder geben. Mitosu wandte sich an die beiden Fuumas.
Nehmt Aiko bitte mit, sie wird mit uns auf dem Drachen reiten und so eine letzte Reise auf dieser Welt antreten. sagte sie ruhig und schritt vorran, ehe sie jedoch plötzlich stehen blieb. Sie wandte sie nicht zu den beiden Fuumas um, ergriff aber dennoch das Wort.
Seijitsu, ich weiß nicht, ob du es verstehst, doch Aiko ist für einen großen Zweck gestorben. Der Landesführer hat uns keineswegs verraten. Dadurch, dass er Aiko gerichtet hat, hat er den Samurai die Chance gegeben, sich unserem Weg anzuschließen. Es mag für dich keine Rolle spielen, denn was hast du schon mit den Samurai zu tun? Und ich kann dich in gewisser Hinsicht verstehen. Wenn ich zwischen einem von euch und Kratos, meinem treusten Diener nach all den Jahrzehnten wählen müsste, ich würde mich immer für Kratos entscheiden. Dennoch: Sieh dir das Gesicht dieser Frau an, Seijitsu. Sieh dir das Lächeln auf ihren Lippen an. Sie hat endlich das erreicht, was sie sich Jahrelang gewünscht hat und wonach sich ihr Herz nach dem Tod ihres Mannes noch mehr gesehnt hat. Sie war nicht glücklich. Sie lebte für euch und es war absehbar, dass sie irgendwann für euch stirbt. Nun ist sie nicht nur für euch gestorben, sondern für uns. Sie wird mit uns zurück zum Tempel kommen und wir werden ihren Körper dort verbrennen, sodass keine Macht mit ihrer leeren Hülle eine Schandtat anstellen kann. Diese Frau hat sich ihre Ruhe nun verdient, also sollte sie auch in Frieden ruhen. Mitosu seufzte für einen Moment, ehe sie ein letztes Mal das Wort ergriff.
Verzweifle also nicht über ihren Tod, freue dich für sie, dass sie endlich die Erlösung gefunden hat, die sie sich so lange ersehnt hat und freue dich, dass du die Chance hattest, sie kennen zu lernen. Nach diesen Worten ging die Göttin unverzüglich weiter nach draußen, wo der Drache sicherlich noch auf sie wartete.
Wir müssen zum Tempel zurück und die drei dort absetzen. Anschließend bin ich bereit mich vor den hohen Rat zu stellen. sagte Mitosu nur und stieg auf den Kopf der geflügelten Echse. Ihre Ansprache zuvor war ungewöhnlich einfühlsam, aber letztlich hatte Aiko doch in ihrem Sinne gedient, wodurch diese Frau sich einen gewissen Respekt bei der Göttlichen eingeheimst hatte. Nicht zuletzt hatten Tashiro und auch Seijitsu sich in den Dienst der Mutter der Nacht gestellt und dadurch wurden sie in gewisser Weise ebenfalls zu ihren Kindern. Und auch, wenn sie natürlich noch lange kein so hohes Ansehen bei ihr hatten, wie Kratos, so kümmerte sich Mitosu dennoch auf ihre ganz eigene Art und Weise um ihre "Kinder".
So konnte die Reise, sollte nichts weiter dazwischen kommen, wieder zurück gehen. Dieses Mal für die beiden Fuumas wohl deutlich schneller als es der Hinweg war.
TBC:
Dōhō·Ai ("Tempel der Brüderlichkeit")